Statt Mathe und Deutsch geht’s für Elftklässler am Projekttag um Krankenversicherung und Steuern
Statt Integralrechnung und Gedichtanalyse stand für die Elftklässler des beruflichen Gymnasiums in Asperg Lektionen für den Alltag auf dem Stundenplan. Fachleute informierten einen Vormittag lang über ganz praktische Themen wie Versicherungen und Finanzen, Wohnen und Steuern.
Im Hotel Mama lebt es sich meistens recht bequem. In der Regel kümmern sich die Eltern auch um den Papierkram. Spätestens zu Beginn der Ausbildung oder des Studiums landen aber viele Abiturienten jäh in der Realität.
Und in der lauern zahlreiche Stolperfallen, wie Benedikt Meier und Marina Schwertfeger warnen. Beide, 19 und 22 Jahre jung, sind ehrenamtlich Referentenbetreuer bei der IWJB gGmbH. Das steht für „Initiative wirtschaftlicher Jugendbildung“.
Jonas ist stolz auf sein erstes Auto, das er gerade von privat gekauft hat. Aber schnell holt ihn der Steueralltag ein. Dass ihn das Vehicel Sprit kostet, war klar. Aber mit Steuern und Versicherung in der Höhe hat er nicht gerechnet. Er fällt aus allen Wolken. Ein Klassiker, meint Benedikt Meier.
Noch einer: Die 24-jährige Anna sattelt auf ihren Bachelor-Abschluss ein Masterstudium drauf und ist überrascht, dass ihr Kindergeld gestrichen wird. „Das wird als nicht nötige Zusatzbildung gewertet“, erklärt Schwertfeger. Was viele aber nicht wissen: Die Studienkosten können von der Steuer abgesetzt werden. Vorausgesetzt, man gibt jährlich eine Steuererklärung ab.
„Endlich die eigene Bude!“ Jeder junge erwachsene sehnt diesen Tag herbei. Es ist aber gar nicht so einfach, ein Zimmer zu finden. „Wer gleich eine Selbstauskunft und einen aktuellen Schufa-Auszug beim Besichtigungstermin mitbringt, ist im Vorteil“, rät Benedikt Meier. Weitere Pluspunkte könne sammeln, wer seine Eltern mit einer Bürgschaft für den Vermieter im Schlepptau hat.
„Aber auch hier sollte man sich nicht von seiner Euphorie verführen lassen“, empfiehlt Mariona Schwertfeger. Es sollte kein Geld vor der Unterschrift unter den Mietvertrag gezahlt werden. Maklergebühren sind unzulässig, solange man den nicht selbst beauftragt hat. In einem schriftlichen, unterschriebenen Abnahmeprotokoll für beide Parteien sollten alle Mängel der Wohnung festgehalten werden.
Außerdem sind maximal drei Monate der Kaltmiete als Kaution zulässig. Alter und Krankheit blenden junge Menschen gerne aus. Einige haben nach dem Studium gleich lukrative Jobangebote. Ob man in der privaten Krankenversicherung tatsächlich gut aufgehoben ist, sollte dennoch gut überlegt sein. Im Alter komme man nur noch schwer aus der Nummer raus und die Beiträge steigen.
Bereits früh sollte Geld fürs Alter beiseite geschafft werden, auch wenn das Budget als Student knapp ist. Wer während des Studiums nur vier Jahre lang 25 Euro monatlich zur Seite lege und bis zur Rente unangetastet lasse, könne 15.000 Euro angespart haben, rechnen die beiden Berater vor.
Welche Versicherungen halten Meier und Schwertfeger für unverzichtbar? Haftpflicht, weil immer etwas Blödes passieren kann, und die Berufsunfähigkeitsversicherung. Empfehlenswert sei außerdem eine Zahnzusatzversicherung, weil Behandlungen sehr teuer werden könnten, und bei Selbstständigen hilft eine Krankentageversicherung weiter.
Generell gelte: „Wer sich vorab schlau macht, ist am besten beraten und wird nicht über den Tisch gezogen.“ Die knapp 100 Schüler in vier Gruppen interessiert insbesondere das schnelle Geld. Stichwort Kryptowährung. Dabei haben sie noch nicht mal Ahnung, wie ein herkömmliches Konto eröffnet wird.
„Ein Crashkurs fürs Leben-das ist der Zukunftstag“, so beschreibt das Team der Initiative für Jugendbildung (IWJB) sein Programm.
Gemeinsam mit Referenten und Referentinnen aus der Praxis bekommen Schülerinnen und Schüler alltagspraktisches Wissen, mit dem sich jeder und jede beim Start ins Erwachsenenleben beschäftigen muss, für das im Schulalltag aber selten Zeit bleibt.
Diese Lücke möchten die Gründer Juri Galkin und Lorenzo Wienecke mithilfe ihres unabhängigen Projekttages füllen.
Seit vier Jahren läuft das Programm “ Zukunftstag“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Inzwischen ist das Zukunftstag-Team jeden Tag an mehreren Schulen gleichzeitig im Einsatz.
Autor: Thomas Faulhaber
